Wenn Führung verunsichert und Grenzen verletzt — Gedanken zu passiv-aggressivem Führungsverhalten
- leawalde
- 22. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Sept.
Ich kenne Menschen, die sich selbst optimieren, um mit Führungskräften klarzukommen. In Seminaren lernen sie, sich selbst zu führen, gewaltfrei zu kommunizieren und ihre Resilienz zu stärken. Manche beginnen eine Psychotherapie. Es gibt Klient*innen, die mich in meiner Privatpraxis mit dem ausschließlichen Anliegen aufsuchen, mit der eigenen Führungskraft umgehen zu lernen. Sie wollen innerlich stärker werden, um das Führungsverhalten auszuhalten.
Wann passieren diese Optimierungswünsche aus Selbstfürsorge, wann handelt es sich um Überanpassung an ein schädliches System?
Andere zu führen erfordert kommunikative Kompetenzen, Selbststeuerung und es bedeutet Beziehungsarbeit. Aber was ist, wenn Führungskräfte geringe Konfliktlösefähigkeiten, Bindungsstörungen und Selbstwertproblematiken mitbringen? Wenn sich Führungskräfte mit eigenen dysfunktionalen Prägungen unzureichend auseinandersetzen, übernehmen ihre blinden Flecken schnell die Steuerung. Dann ist Führungsverhalten oft das Gegenteil von dem, was es sein sollte: nämlich verunsichernd statt klärend, entwertend statt stärkend.
Passiv-aggressive Führung weicht aus, die Kommunikation verwirrt und scheinbare Zustimmung wird nie umgesetzt. Zugewandtheit wird suggeriert, aber keine Beziehung entsteht. Es ist eine destruktive Führung, die sich entzieht und Macht ausübt.
Was macht das mit Mitarbeitenden? Mit ihrem Selbstwert, ihrer Motivation, ihrer Fähigkeit, sich zu zeigen?
Ob in sozialen Einrichtungen, Schulen oder Banken- viele Menschen erleben im Berufsalltag eine Form von Führung, die nicht offen aggressiv ist und dennoch übergriffig.
Passiv-aggressives Verhalten ist eine schwer greifbare und kaum sichtbare Dynamik. Warum? Weil die Grenzverletzung nicht laut ist. Weil sie sich hinter Rollen, Erwartungen und scheinbarer Professionalität versteckt. Und weil viele Betroffene sich selbst infrage stellen oder sich unterwürfig verhalten aus Angst ihren Job zu verlieren.
Der Markt ist überschwemmt mit Angeboten zum „Umgang mit schwierigen Mitarbeitenden“, Seminare zum Umgang mit schwierigen Führungskräften sind dagegen rar. Dabei sind diese Teil des Systems, welches entwertend und grenzverletzend sein kann.
Warum wird das Thema so selten adressiert?
Ist es weil Machtasymmetrien offene Kritik erschweren? Weil Organisationen ihre Führungskultur- und damit auch ihre blinden Flecken schützen? Oder weil passiv-aggressives Führungsverhalten schwer messbar ist?Ich glaube, aus diesen Gründen braucht es neue Räume: für Reflexion, Selbstschutz, gemeinsamen Austausch und die Verbindung Betroffener.
Kommentare